
Augsburger Konzert, 1985
Konzert im „Goldenen Saal“ zu Augsburg am 11. April 1985 mit Vertonungen von Gedichten von Vergil und Horaz durch Adrian Willaert, Orlando di Lasso, Zoltan Kodály, Jan Novák und weitere.
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Das „Augsburger Konzert“ vom 11. April 1985 war in gewisser Weise der Höhepunkt „Angather Chormusizierens“ – und die Ursache einer Krise, die dann acht bis neun Jahre anhielt.
„Angath“, mit den musikalisch so ertragreichen Passauer Chorwochenenden des gleichen Jahrs im Hintergrund, hatte 1984 ein stattliches Niveau erreicht. Mit einem Chor, wie er sich da zusammengefunden hatte, konnte man Großes erreichen. Auch kam zu „Angath 1984“ ein Mitarbeiter von Wilfried Stroh (1939- ), dem damaligen Münchner Ordinarius für Altphilologie. Dessen Spezialität war es, Latein als lebendige Sprache zu pflegen. Für das Frühjahr 1985 plante Stroh in Augsburg unter dem Namen „Ludi Latini“ ein großes Lateinerfestival. Sein Mitarbeiter erzählte ihm – anscheinend begeistert – von seinen Angather Erfahrungen, gerade auch mit der Erarbeitung von Chorwerken vom Sinn ihrer Texte her. Wohl deshalb erhielt ich im Herbst 1984 die Einladung, uns an den „Ludi Latini“ mit einem Chorkonzert zu beteiligen.
Es sollte Vertonungen von Texten der lateinischen Großdichter Vergil und Horaz aus der Zeit zwischen Renaissance und Gegenwart umfassen. Werkvorschläge waren beigefügt. Die neuesten, nämlich Fugen auf Texte Vergils von Jan Novák (1921-1984), lagen nur handschriftlich vor. Das alles schien herausfordernd zu werden. Eine Umfrage unter den Teilnehmern von Angath 1984 und der Passauer Chorwochenenden des gleichen Jahres zeigte, dass wir diese Herausforderung annehmen wollten. Also sagte ich zu.
Vom Januar 1985 bis zur Osterzeit verbrachten wir dann vier Chorwochenenden in München, bei denen wir – die Noten waren zuvor an alle Teilnehmer verschickt worden – das Programm einstudierten. Es brachte uns, für diesen Zweck als „Voces Anagathenses“ auftretend, d.h. als „Stimmen aus Angath“, an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit. Doch wir schafften es, das Konzert am 11. April 1985 im vollbesetzten „Goldenen Saal“ des Augsburger Rathauses zu einem großen Erfolg werden zu lassen. Gestützt auch auf einen Artikel von Renate Ulm in der Augsburger Zeitung vom 13. April 1985, schrieb im Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes Andreas Fritsch das Folgende zu diesem Konzert, nämlich in seinem Aufsatz „De Ludis Latinis Augustae Vindelicum factis“ (https://doi.org/10.11588/diglit.33085.37):
„Am Donnerstag waren Chorvertonungen von Dichtungen des Vergil und des Horaz zu hören. Es sangen die Voces Anagathenses unter Leitung von Werner Patzelt. Die Vergilii carmina waren vertont von Paul Hofhaymer (1459 – 1537), Jacob Arcadelt (um 1514- um 1565), Adrian Willaert (um 1480 – 1562), W. A. Mozart (1756 – 91), Mario Castelnuovo-Tedesco (1895 – 1968) und Jan Novák (1921 – 84). Die Vertonungen der Horatii carmina waren von Petrus Tritonius (geb. um 1475), Orlando di Lasso (um 1532-1594), Joseph Haydn (1732-1809), Carl Loewe (1976-1869), Zoltan Kodály (1882-1967) und Jan Novák.
Zu Nováks Fugen bemerkt Renate Ulm in der AZ u. a.: „Die Fugen des Tschechen Novák dürfen nicht im Sinne Bachs verstanden werden, sie sind in erster Linie textlich begründet: Nos patriam fugimus“ (Verg. ecl. 1,1 – 5). Novák weist einerseits auf den ursprünglichen Sinn der Fuge hin, der Flucht (der einen Stimme vor der anderen), und bezieht dies symbolisch auf sein eigenes Emigrantenschicksal.“ Die zweite Fuge (Verg. georg. 2,284 f.: Sed fugit interea, fugit inreparabile tempus) „mit ihrem rhythmischen Ostinato im Baß charakterisiert die dahineilende Zeit. … Novák setzte sich wie kein anderer Komponist, außer vielleicht Tritonius, geradezu penibel mit dem Metrum und der Sprache auseinander.“
Der ausführliche Bericht in der AZ schließt mit folgenden Worten: „Werner Patzelt hatte die Werke mit dem Ensemble Voces Anagathenses sehr genau einstudiert, auf die Diktion viel Wert gelegt. Der Chor, der unter Beratung der Münchner Altphilologen die original-getreueste Aussprache erlernt hatte, war in sich stimmig, … Informatives zu Musik und Sprache gab in nahezu flüssigem Latein Jürgen Leonhardt. — In der Pause waren römische Speisen und Getränke angerichtet, die man allerdings gegen die Sitte nicht im Liegen, sondern wegen des dichten Gedränges im Stehen zu sich nehmen musste“.
Gemeinsam mit den Aufführungen von Bachs Motette „Jesu, meine Freude“, den Chorsätzen aus Monteverdis „Marienvesper“ sowie einer Reihe von Schütz- und Brahms-Motetten bei den drei Passauer Chorwochenenden von 1984 war dieses Konzert vom April 1985 ein Höhepunkt dessen, was auf den Angather Musikwochen und den Passauer Chorwochenenden musikalisch aufgebaut worden war. Doch die sozialen Grundlagen des Erreichten waren durch die Probenarbeit nachhaltig beschädigt worden. Die hatte sich nämlich allein am zu erzielenden Ergebnis ausgerichtet, nicht aber – wie bei einer Singwoche – am von Probe zu Probe zu erneuernden Gemeinschaftserlebnis. Zwar wurde zu einem solchen sehr wohl der zweite Teil des Konzerts. Als nämlich die wirklich schweren Vergil-Fugen von Jan Novák genau vor der Pause recht gut verklungen waren, wurde nachher, wie von einer schweren Last befreit, das Konzert auf der Bühne zum freudvollen Klangrausch.
Doch das machte einige unausgesprochene und etliche gemeinsam erlebte Zerwürfnisse während der Probenarbeit nicht ungeschehen. Auch deshalb gab es seitens vieler der rund 40 Mitwirkenden keine Bereitschaft, einer Einladung zur Wiederholung des Konzerts an der Heidelberger Universität zu folgen. Obendrein war – trotz entsprechender Bitte – kein passender Ort für eine anschließende Nachfeier organisiert worden. Man fand notdürftig im kärglichen Speiseraum jener Jugendherberge zusammen, in der viele auswärtige Mitsänger übernachteten. Dort hatte man bald schon den Ruhevorschriften zu gehorchen. Wenn aber gemeinsames Entspannen nach einer großen, monatelangen Anspannung fehlt, dann bleibt, von einem solchen Ende her, in Erinnerung vor allem das Verdrießliche am Weg sogar zu einem Erfolg.
Das Einsammeln der Noten in der Jugendherberge fühlte sich denn auch an wie die Liquidierung eines Erbes. Und tatsächlich fand sich gut ein Drittel der in Augsburg Mitwirkenden zu keiner der folgenden Musikwochen und Chorwochenenden mehr ein. „Angath 1985“ wurde deshalb zu einem Tiefpunkt, den nur die zweite, streitgeprägte Musikwoche von 1979 unterboten hatte. Erst ab 1993 entstand wieder jenes musikalische Niveau, das 1983/84 schon einmal erreicht war und inzwischen wieder normal ist.
Seither beherzige ich als wichtige Lehre: Beim Musizieren mit Laienchören darf niemals das angestrebte Ergebnis einen unerbittlichen Probenstil verlangen, sondern muss das Ziel dem unbeschwert Leistbaren angepasst werden. Tatsächlich hat den Reiz gerade einer Singwoche der Weg zum Ziel ausmachen. Allerdings gibt es einen solchen Weg auch nur dann, wenn vorab ein Ziel gesetzt wurde. Insofern veranschaulichen Glanz und Elend des „Augsburger Konzerts“ das Dilemma sämtlicher Laienmusik: Sie muss zwar ehrgeizig sein, darf aber niemals die Maßstäbe des professionellen Musikbetriebs zu den ihren machen. Ihr Kern ist das gemeinsame Bezaubertwerden durch Musik im Kreis freundschaftlich verkehrender Gleichgesinnter – und diesen Kern zu schützen ist, noch vor seinen musikalischen Leitungspflichten, die Hauptaufgabe des Leiters von Singwochen und Chorfreizeiten.
Hofhaymer, Paul: Dulces exuviae
Arcadelt, Jakob: At trepida
Willaert, Adrian: Dulces exuviae
Mozart, Wolfgang Amadeus: Incipe Maenalios
Castelnuovo-Tedesco, Mario: Huc ades, o Galatea
Castelnuovo-Tedesco, Mario: Nerine Galathea
Novák, Jan: Tityre tu patulae
Novák, Jan: Tempus fugit
Tritonius, Petrus: Vides ut alta stet
Lassus, Roland: Beatus ille
Haydn, Joseph: Ille potens sui
Loewe, Carl: Phoebe silvarumque potens
Kodály, Zoltán: Rectius vives
Novák, Jan: Laudabunt alii
Novák, Jan: Vides ut alta stet
Novák, Jan: Velox amoenum
Comedian Harmonists – Non exspectes (auf Musik von “Wochenend und Sonnenschein“) – Zugabe
Händel, Georg Friedrich: Air aus Grobschmidt-Variationen („Dubedu“) – Zugabe
Passauer Konzert, 1989
Konzert im Passauer Rathaussaal u.a. mit Johann Sebastian Bachs Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 140)
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Die Aufführung von Bachs Kantate „Wachet auf ruft uns die Stimme“ (BWV 140) im Jahre 1989 im vollbesetzten Passauer Rathaussaal verdankte sich glücklichen Umständen. Ich hatte während meiner Passauer Assistentenzeit in den 1980er Jahren mit vielen Chören, Sängern und Instrumentalisten in Passau sowie den umgebenden Städten sehr oft als Cellist musiziert und Konzerte bestritten. Also kannte ich viele tüchtige Instrumentalisten und Sänger. Sodann hatte ich zwischen 1983 und 1985 den Chor der Katholischen und Evangelischen Studentengemeinden der Universität Passau geleitet und anschließend, unter dem Namen „Capella Pataviensis“, ein studentisches Ensemble für „cantare et sonare“ aufgebaut. Das führte ich bald auch mit den langjährigen Teilnehmern der Passauer Chorwochenenden zusammen.
Im Wintersemester 1988/89 entstand die Idee, mit diesem Musikerkreis ein größeres Konzert im Passauer Rathaussaal zu veranstalten. Dort war nämlich zuvor das Studentenorchester der Universität Passau erfolgreich aufgetreten. Als Werke wählte ich – neben einigen kleineren Stücken – Bachs Kantate „Wachet auf“, seine Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ sowie eine Motette Telemanns auf den gleichen Text. Ferner musizierten wir Bachs 5. Brandenburgisches Konzert sowie ein Concerto grosso von G.F. Händel.
Dieses Konzert war ein großer Erfolg. Es fand aber keine Fortsetzung, weil ich zunächst einmal meine Habilititationsschrift zu erstellen hatte, dann zu einem Studienaufenthalt nach New York ging und nach meiner Rückkehr Mauerfall und Wiedervereinigung meine Berufstätigkeit von Passau nach Dresden verlagerten. Dort führten nach einigen Jahren die Dresdner Chorwochen weiter, was in Passau begonnen hatte, und noch später setzten die Schmochtitzer Chorwochen die Tradition von „Angath“ fort. Gemeinsam mit dem „Augsburger Konzert“ ist jenes Konzert im Passauer Rathaussaal die wichtigste „Nebenblüte“ meiner Passauer und Angather musikalischen Aktivitäten.
Werner J. Patzelt, April 2025
Bach, Johann Sebastian: Wachet auf, ruft uns die Stimme


Passauer Konzert, 1989
Konzert im Passauer Rathaussaal u.a. mit Johann Sebastian Bachs Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 140)
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Die Aufführung von Bachs Kantate „Wachet auf ruft uns die Stimme“ (BWV 140) im Jahre 1989 im vollbesetzten Passauer Rathaussaal verdankte sich glücklichen Umständen. Ich hatte während meiner Passauer Assistentenzeit in den 1980er Jahren mit vielen Chören, Sängern und Instrumentalisten in Passau sowie den umgebenden Städten sehr oft als Cellist musiziert und Konzerte bestritten. Also kannte ich viele tüchtige Instrumentalisten und Sänger. Sodann hatte ich zwischen 1983 und 1985 den Chor der Katholischen und Evangelischen Studentengemeinden der Universität Passau geleitet und anschließend, unter dem Namen „Capella Pataviensis“, ein studentisches Ensemble für „cantare et sonare“ aufgebaut. Das führte ich bald auch mit den langjährigen Teilnehmern der Passauer Chorwochenenden zusammen.
Im Wintersemester 1988/89 entstand die Idee, mit diesem Musikerkreis ein größeres Konzert im Passauer Rathaussaal zu veranstalten. Dort war nämlich zuvor das Studentenorchester der Universität Passau erfolgreich aufgetreten. Als Werke wählte ich – neben einigen kleineren Stücken – Bachs Kantate „Wachet auf“, seine Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ sowie eine Motette Telemanns auf den gleichen Text. Ferner musizierten wir Bachs 5. Brandenburgisches Konzert sowie ein Concerto grosso von G.F. Händel.
Dieses Konzert war ein großer Erfolg. Es fand aber keine Fortsetzung, weil ich zunächst einmal meine Habilititationsschrift zu erstellen hatte, dann zu einem Studienaufenthalt nach New York ging und nach meiner Rückkehr Mauerfall und Wiedervereinigung meine Berufstätigkeit von Passau nach Dresden verlagerten. Dort führten nach einigen Jahren die Dresdner Chorwochen weiter, was in Passau begonnen hatte, und noch später setzten die Schmochtitzer Chorwochen die Tradition von „Angath“ fort. Gemeinsam mit dem „Augsburger Konzert“ ist jenes Konzert im Passauer Rathaussaal die wichtigste „Nebenblüte“ meiner Passauer und Angather musikalischen Aktivitäten.
Werner J. Patzelt, April 2025
Bach, Johann Sebastian: Wachet auf, ruft uns die Stimme

Augsburger Konzert, 1985
Konzert im „Goldenen Saal“ zu Augsburg am 11. April 1985 mit Vertonungen von Gedichten von Vergil und Horaz durch Adrian Willaert, Orlando di Lasso, Zoltan Kodály, Jan Novák und weitere.
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Das „Augsburger Konzert“ vom 11. April 1985 war in gewisser Weise der Höhepunkt „Angather Chormusizierens“ – und die Ursache einer Krise, die dann acht bis neun Jahre anhielt.
„Angath“, mit den musikalisch so ertragreichen Passauer Chorwochenenden des gleichen Jahrs im Hintergrund, hatte 1984 ein stattliches Niveau erreicht. Mit einem Chor, wie er sich da zusammengefunden hatte, konnte man Großes erreichen. Auch kam zu „Angath 1984“ ein Mitarbeiter von Wilfried Stroh (1939- ), dem damaligen Münchner Ordinarius für Altphilologie. Dessen Spezialität war es, Latein als lebendige Sprache zu pflegen. Für das Frühjahr 1985 plante Stroh in Augsburg unter dem Namen „Ludi Latini“ ein großes Lateinerfestival. Sein Mitarbeiter erzählte ihm – anscheinend begeistert – von seinen Angather Erfahrungen, gerade auch mit der Erarbeitung von Chorwerken vom Sinn ihrer Texte her. Wohl deshalb erhielt ich im Herbst 1984 die Einladung, uns an den „Ludi Latini“ mit einem Chorkonzert zu beteiligen.
Es sollte Vertonungen von Texten der lateinischen Großdichter Vergil und Horaz aus der Zeit zwischen Renaissance und Gegenwart umfassen. Werkvorschläge waren beigefügt. Die neuesten, nämlich Fugen auf Texte Vergils von Jan Novák (1921-1984), lagen nur handschriftlich vor. Das alles schien herausfordernd zu werden. Eine Umfrage unter den Teilnehmern von Angath 1984 und der Passauer Chorwochenenden des gleichen Jahres zeigte, dass wir diese Herausforderung annehmen wollten. Also sagte ich zu.
Vom Januar 1985 bis zur Osterzeit verbrachten wir dann vier Chorwochenenden in München, bei denen wir – die Noten waren zuvor an alle Teilnehmer verschickt worden – das Programm einstudierten. Es brachte uns, für diesen Zweck als „Voces Anagathenses“ auftretend, d.h. als „Stimmen aus Angath“, an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit. Doch wir schafften es, das Konzert am 11. April 1985 im vollbesetzten „Goldenen Saal“ des Augsburger Rathauses zu einem großen Erfolg werden zu lassen. Gestützt auch auf einen Artikel von Renate Ulm in der Augsburger Zeitung vom 13. April 1985, schrieb im Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes Andreas Fritsch das Folgende zu diesem Konzert, nämlich in seinem Aufsatz „De Ludis Latinis Augustae Vindelicum factis“ (https://doi.org/10.11588/diglit.33085.37):
„Am Donnerstag waren Chorvertonungen von Dichtungen des Vergil und des Horaz zu hören. Es sangen die Voces Anagathenses unter Leitung von Werner Patzelt. Die Vergilii carmina waren vertont von Paul Hofhaymer (1459 – 1537), Jacob Arcadelt (um 1514- um 1565), Adrian Willaert (um 1480 – 1562), W. A. Mozart (1756 – 91), Mario Castelnuovo-Tedesco (1895 – 1968) und Jan Novák (1921 – 84). Die Vertonungen der Horatii carmina waren von Petrus Tritonius (geb. um 1475), Orlando di Lasso (um 1532-1594), Joseph Haydn (1732-1809), Carl Loewe (1976-1869), Zoltan Kodály (1882-1967) und Jan Novák.
Zu Nováks Fugen bemerkt Renate Ulm in der AZ u. a.: „Die Fugen des Tschechen Novák dürfen nicht im Sinne Bachs verstanden werden, sie sind in erster Linie textlich begründet: Nos patriam fugimus“ (Verg. ecl. 1,1 – 5). Novák weist einerseits auf den ursprünglichen Sinn der Fuge hin, der Flucht (der einen Stimme vor der anderen), und bezieht dies symbolisch auf sein eigenes Emigrantenschicksal.“ Die zweite Fuge (Verg. georg. 2,284 f.: Sed fugit interea, fugit inreparabile tempus) „mit ihrem rhythmischen Ostinato im Baß charakterisiert die dahineilende Zeit. … Novák setzte sich wie kein anderer Komponist, außer vielleicht Tritonius, geradezu penibel mit dem Metrum und der Sprache auseinander.“
Der ausführliche Bericht in der AZ schließt mit folgenden Worten: „Werner Patzelt hatte die Werke mit dem Ensemble Voces Anagathenses sehr genau einstudiert, auf die Diktion viel Wert gelegt. Der Chor, der unter Beratung der Münchner Altphilologen die original-getreueste Aussprache erlernt hatte, war in sich stimmig, … Informatives zu Musik und Sprache gab in nahezu flüssigem Latein Jürgen Leonhardt. — In der Pause waren römische Speisen und Getränke angerichtet, die man allerdings gegen die Sitte nicht im Liegen, sondern wegen des dichten Gedränges im Stehen zu sich nehmen musste“.
Gemeinsam mit den Aufführungen von Bachs Motette „Jesu, meine Freude“, den Chorsätzen aus Monteverdis „Marienvesper“ sowie einer Reihe von Schütz- und Brahms-Motetten bei den drei Passauer Chorwochenenden von 1984 war dieses Konzert vom April 1985 ein Höhepunkt dessen, was auf den Angather Musikwochen und den Passauer Chorwochenenden musikalisch aufgebaut worden war. Doch die sozialen Grundlagen des Erreichten waren durch die Probenarbeit nachhaltig beschädigt worden. Die hatte sich nämlich allein am zu erzielenden Ergebnis ausgerichtet, nicht aber – wie bei einer Singwoche – am von Probe zu Probe zu erneuernden Gemeinschaftserlebnis. Zwar wurde zu einem solchen sehr wohl der zweite Teil des Konzerts. Als nämlich die wirklich schweren Vergil-Fugen von Jan Novák genau vor der Pause recht gut verklungen waren, wurde nachher, wie von einer schweren Last befreit, das Konzert auf der Bühne zum freudvollen Klangrausch.
Doch das machte einige unausgesprochene und etliche gemeinsam erlebte Zerwürfnisse während der Probenarbeit nicht ungeschehen. Auch deshalb gab es seitens vieler der rund 40 Mitwirkenden keine Bereitschaft, einer Einladung zur Wiederholung des Konzerts an der Heidelberger Universität zu folgen. Obendrein war – trotz entsprechender Bitte – kein passender Ort für eine anschließende Nachfeier organisiert worden. Man fand notdürftig im kärglichen Speiseraum jener Jugendherberge zusammen, in der viele auswärtige Mitsänger übernachteten. Dort hatte man bald schon den Ruhevorschriften zu gehorchen. Wenn aber gemeinsames Entspannen nach einer großen, monatelangen Anspannung fehlt, dann bleibt, von einem solchen Ende her, in Erinnerung vor allem das Verdrießliche am Weg sogar zu einem Erfolg.
Das Einsammeln der Noten in der Jugendherberge fühlte sich denn auch an wie die Liquidierung eines Erbes. Und tatsächlich fand sich gut ein Drittel der in Augsburg Mitwirkenden zu keiner der folgenden Musikwochen und Chorwochenenden mehr ein. „Angath 1985“ wurde deshalb zu einem Tiefpunkt, den nur die zweite, streitgeprägte Musikwoche von 1979 unterboten hatte. Erst ab 1993 entstand wieder jenes musikalische Niveau, das 1983/84 schon einmal erreicht war und inzwischen wieder normal ist.
Seither beherzige ich als wichtige Lehre: Beim Musizieren mit Laienchören darf niemals das angestrebte Ergebnis einen unerbittlichen Probenstil verlangen, sondern muss das Ziel dem unbeschwert Leistbaren angepasst werden. Tatsächlich muss der Reiz gerade einer Singwoche der Weg zum Ziel ausmachen. Allerdings gibt es einen solchen Weg auch nur dann, wenn vorab ein Ziel gesetzt wurde. Insofern veranschaulichen Glanz und Elend des „Augsburger Konzerts“ das Dilemma sämtlicher Laienmusik: Sie muss zwar ehrgeizig sein, darf aber niemals die Maßstäbe des professionellen Musikbetriebs zu den ihren machen. Ihr Kern ist das gemeinsame Bezaubertwerden durch Musik im Kreis freundschaftlich verkehrender Gleichgesinnter – und diesen Kern zu schützen ist, noch vor seinen musikalischen Leitungspflichten, die Hauptaufgabe des Leiters von Singwochen und Chorfreizeiten.
Hofhaymer, Paul: Dulces exuviae
Arcadelt, Jakob: At trepida
Willaert, Adrian: Dulces exuviae
Mozart, Wolfgang Amadeus: Incipe Maenalios
Castelnuovo-Tedesco, Mario: Huc ades, o Galatea
Castelnuovo-Tedesco, Mario: Nerine Galathea
Novák, Jan: Tityre tu patulae
Novák, Jan: Tempus fugit
Tritonius, Petrus: Vides ut alta stet
Lassus, Roland: Beatus ille
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Loewe, Carl: Phoebe silvarumque potens
Kodály, Zoltán: Rectius vives
Novák, Jan: Laudabunt alii
Novák, Jan: Vides ut alta stet
Novák, Jan: Velox amoenum
Comedian Harmonists – Non exspectes (auf Musik von “Wochenend und Sonnenschein“) – Zugabe
Händel, Georg Friedrich: Air aus Grobschmidt-Variationen („Dubedu“) – Zugabe

Passauer Konzert, 1989
Konzert im Passauer Rathaussaal u.a. mit Johann Sebastian Bachs Kantate „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ (BWV 140)
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Die Aufführung von Bachs Kantate „Wachet auf ruft uns die Stimme“ (BWV 140) im Jahre 1989 im vollbesetzten Passauer Rathaussaal verdankte sich glücklichen Umständen. Ich hatte während meiner Passauer Assistentenzeit in den 1980er Jahren mit vielen Chören, Sängern und Instrumentalisten in Passau sowie den umgebenden Städten sehr oft als Cellist musiziert und Konzerte bestritten. Also kannte ich viele tüchtige Instrumentalisten und Sänger. Sodann hatte ich zwischen 1983 und 1985 den Chor der Katholischen und Evangelischen Studentengemeinden der Universität Passau geleitet und anschließend, unter dem Namen „Capella Pataviensis“, ein studentisches Ensemble für „cantare et sonare“ aufgebaut. Das führte ich bald auch mit den langjährigen Teilnehmern der Passauer Chorwochenenden zusammen.
Im Wintersemester 1988/89 entstand die Idee, mit diesem Musikerkreis ein größeres Konzert im Passauer Rathaussaal zu veranstalten. Dort war nämlich zuvor das Studentenorchester der Universität Passau erfolgreich aufgetreten. Als Werke wählte ich – neben einigen kleineren Stücken – Bachs Kantate „Wachet auf“, seine Motette „Lobet den Herrn, alle Heiden“ sowie eine Motette Telemanns auf den gleichen Text. Ferner musizierten wir Bachs 5. Brandenburgisches Konzert sowie ein Concerto grosso von G.F. Händel.
Dieses Konzert war ein großer Erfolg. Es fand aber keine Fortsetzung, weil ich zunächst einmal meine Habilititationsschrift zu erstellen hatte, dann zu einem Studienaufenthalt nach New York ging und nach meiner Rückkehr Mauerfall und Wiedervereinigung meine Berufstätigkeit von Passau nach Dresden verlagerten. Dort führten nach einigen Jahren die Dresdner Chorwochen weiter, was in Passau begonnen hatte, und noch später setzten die Schmochtitzer Chorwochen die Tradition von „Angath“ fort. Gemeinsam mit dem „Augsburger Konzert“ ist jenes Konzert im Passauer Rathaussaal die wichtigste „Nebenblüte“ meiner Passauer und Angather musikalischen Aktivitäten.
Werner J. Patzelt, April 2025
Bach, Johann Sebastian: Wachet auf, ruft uns die Stimme